Strategische Zusammenschlüsse in der ambulanten und stationären Pflege – Mut zur Veränderung ist gefragt

Die Sicherung von Qualität, Effektivität und Zuverlässigkeit in der Versorgung steht im schweizerischen Gesundheitswesen vor wachsenden Herausforderungen. Die Forderung nach integrierten Versorgungsnetzen und entsprechenden Ressourcen erhöht den Druck auf die Leistungserbringer zur Konsolidierung. Doch welche Kooperationsformen sind am besten geeignet? Wie kann die eigene Identität bewahrt werden, und wann ist ein Alleingang angebracht?

In der Schweiz ist ein deutlicher Wandel in der ambulanten und stationären Pflege zu erkennen. Dieser Wandel wird auch in Bern aktiv vorangetrieben, wo die Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) die Leistungsverträge ab dem 1. Januar 2026 im zweiten Quartal 2025 neu ausschreibt. Das Ziel ist eine Reduzierung der derzeitigen 47 Versorgungsgebiete auf 17 Regionen unter Einhaltung der Versorgungssicherheit. Diese Entwicklung zwingt SPITEX-Organisationen dazu, sich zusammenzuschliessen und innovative Organisations- und Kooperationsmodelle zu entwickeln und zu prüfen. 

Der Konsolidierungsdruck zielt darauf ab, die Effizienz des Gesundheitssystems durch Stärkung der integrierten Versorgung zu steigern. Dies soll die Anzahl der Ansprechpartner für die Kantone reduzieren und die Zusammenarbeit zwischen den SPITEX-Organisationen verbessern, indem Synergien genutzt werden. Diese Veränderung stellt für die Pflegeorganisationen eine zusätzliche Herausforderung dar.

Es wird spekuliert, dass diese Reduzierung in Bern noch nicht abgeschlossen ist. Basierend auf dem Obsan-Bericht (Obsan, 03/2024), der als Grundlage für die Neuperimetrisierung dient, könnte die Anzahl der Regionen in Zukunft weiter reduziert werden.

Bern ist nicht der einzige Kanton, der versucht, seine Regionen zu vergrössern und zu konsolidieren. Doch auch der Druck durch Kostenbeteiligung und Tarife nimmt zu. Daher ist es für ambulante und stationäre Pflegeinstitutionen wichtig, diese Trends zu erkennen und ihre Relevanz für ihre Organisation zu klären. Die frühzeitige Ermittlung von Handlungsoptionen bereitet die Institutionen darauf vor, auf Markt- und politische Veränderungen reagieren zu können und sich so auf die Zukunft vorzubereiten.

Lösungsansätze und Handlungsoptionen für ambulante und stationäre Pflegeorganisationen

Im Auftrag seiner Mitglieder hat der Spitex Verband Kanton Bern gemeinsam mit ProAct verschiedene Kooperationsmodelle entwickelt und bewertet. Die Modelle sprechen sowohl ambulante als auch stationäre Pflegeinstitutionen an.

Darunter befinden sich beispielsweise die Zusammenarbeit in Subakkordanzmodellen, die Nutzung bestehender und die Gründung neuer Betriebsgesellschaften, Schulterschlüsse und Fusionen. Diese Optionen stehen den Mitgliedern zusammen mit einer umfassenden Handlungs- und Betriebsanleitung (Toolbox) als Entscheidungshilfe und Umsetzungsgrundlage zur Verfügung:

Variante 1: Leadorganisation

Eine bestehende Organisation (Leadorganisation) führt mehrere andere Organisationen an und wird Vertragspartnerin des Kantons. Weitere Organisationen oder Dritte können als Subunternehmer fungieren. Gegebenenfalls können sich auch andere Organisationen an der Führung beteiligen. Für diesen Prozess ist keine Neugründung erforderlich, daher ist er mit einem geringen Zeitaufwand verbunden. Die Herausforderung besteht jedoch in der Entscheidungsfindung einer Leadorganisation und ihrer Verantwortung.

Variante 2: Neue Organisation

Mehrere Organisationen gründen eine neue Organisation, die als Vertragspartnerin des Kantons auftritt. Andere Organisationen oder Dritte werden über Leistungsverträge als Subunternehmer eingebunden. Diese partnerschaftlich gegründete Organisationsform ist breit abgestützt, wobei die bisherigen Organisationen als Subakkordanten bestehen bleiben. Allerdings ist diese Version auf der Kehrseite sehr kostspielig, aufwendig und zeitraubend, da sie von Grund auf aufgebaut werden muss.

Variante 3: Neue Betriebsgesellschaft

Organisationen gründen eine neue Betriebsgesellschaft, die als Leistungserbringer und Vertragspartner des Kantons fungiert. Die Gründungspartner bringen alle betriebsrelevanten Mittel inkl. Personal in die neue Betriebsorganisation ein, bleiben Eigentümer und können Dritte über Leistungsverträge einbinden. Dieses Modell erfordert ebenfalls eine umfangreiche Vorlaufzeit, da ein sorgfältiger Neugründungs- und Integrationsprozess notwendig ist, der auch die emotionalen Aspekte nicht ausser Acht lassen darf.

Variante 4: Ausbau bestehende Organisation und Überführung operativer Betrieb

Die Organisationen erweitern eine bestehende Organisation und übertragen ihren operativen Betrieb darauf. Diese Betriebsgesellschaft wird Leistungserbringerin und Vertragspartnerin des Kantons. Sie kann Dritte über Leistungsverträge als Subunternehmer einbeziehen. Diese Option ist mit einem reduzierten Aufwand und einer geringeren Vorlaufzeit verbunden, da keine Neugründung erforderlich ist. Es besteht jedoch das Risiko negativer Emotionen, da der Ausbau auf einer bestehenden Organisation erfolgt und die eigene Organisation möglicherweise aufgegeben werden muss.

Die Wahl des passenden Organisationsmodelle erfordert eine genaue Analyse und weitsichtige strategische Planung.

Zusätzlich sind Kooperationsmodelle von grosser Bedeutung, um gezielt von Synergien zu profitieren. Beispiele hierfür sind Shared Services, bei denen beispielsweise Finanzen, Personalwesen oder IT harmonisiert und durch hochqualifizierte Fachkräfte in einem gemeinsamen Anstellungsverhältnis gewährleistet werden. Ebenso bieten gemeinsame Pflegepools eine Möglichkeit, Flexibilität zu sichern und gemeinsam Kosten zu reduzieren.

Eine Diskussion innerhalb der Institution und mit potenziellen Kooperationspartnern ist von entscheidender Bedeutung

Für eine fundierte Entscheidungsfindung ist eine gründliche interne Analyse unerlässlich. Dabei sollten Sie die Stärken und Schwächen Ihrer Institution sowie die Chancen und Risiken des Marktes untersuchen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Basierend auf diesen Erkenntnissen sollte dann ein Zielbild entwickelt werden, das festlegt, welche Rolle Ihre Pflegeinstitution in Zukunft spielen möchte. Die oben genannten Modelle können dabei als Leitfaden dienen.

Eine umfassende Situationsanalyse erfordert zudem die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen in der Region. Dadurch können Sie nicht nur von Vorteilen für Ihre eigene Institution profitieren, sondern auch dazu beitragen, eine bestmögliche Versorgung sicherzustellen. Es ist entscheidend, sich proaktiv den zukünftigen Anforderungen zu stellen und sich aus einer Position der Stärke heraus zu positionieren. Dabei dürfte der Zeitdruck weiter zunehmen.

Zudem erfordert eine umfassende Situationsanalyse die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen in der Region, um von Vorteilen für die eigene Institution zu profitieren und gleichzeitig mitzuhelfen, eine bestmögliche Versorgung sicherzustellen. Es ist von entscheidender Bedeutung, sich proaktiv den zukünftigen Anforderungen zu stellen und eine starke Position einzunehmen, insbesondere vor dem Hintergrund des zunehmenden Zeitdrucks.

3 Key Take Aways

  • Agieren Sie proaktiv und lassen Sie sich den Fahrplan für Kooperationen und Zusammenschlüsse nicht vom Markt oder der Politik diktieren
  • Eine Zusammenarbeit zwischen den Pflegeinstitutionen ist unerlässlich, um zukünftig erfolgreich zu sein.
  • Nutzen Sie die individuellen Stärken der einzelnen Pflegeinstitutionen und erschliessen Sie gemeinsames Potenzial in Ihrer Region – dort, wo es Ihrer Institution dient.

Begegnen Sie den aktuellen und kommenden Veränderungen zur Sicherstellung der ambulanten Pflege und Betreuung ihrer Kunden:innen proaktiv. Unsere Gesundheitsexperten Urs Böhlen oder Guy Lorétan stehen Ihnen dabei gerne zur Verfügung.

Ihre Ansprechpartner für Fragen und persönliche Auskünfte

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ProAct
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